Stellungnahme von Plattform Dresden e.V., Trägerverein des „Ukrainischen Hauses“ in Dresden, zum Ergebnis des Interessenbekundungsverfahrens zum “Ukrainischen Zentrum”

Stellungnahme von Plattform Dresden e.V., Trägerverein des „Ukrainischen Hauses“ in Dresden, zum Ergebnis des Interessenbekundungsverfahrens zum “Ukrainischen Zentrum”

(Dresden / 11. Juli 2025)  Mit der russischen Vollinvasion gegen die Ukraine im Februar 2022 stieg auch in Dresden die Zahl der ankommenden ukrainischen Geflüchteten sprunghaft an. Innerhalb weniger Wochen entstand die auf Anhieb größte migrantische Community der Stadt – mit ihr wuchs der Bedarf an Unterstützungsangeboten rapide. Binnen weniger Monate und weitgehend auf ehrenamtlicher Basis wurde eine tragfähige Struktur aufgebaut, die vom ersten Tag an praktische Hilfe leistete: bei der Orientierung im neuen Umfeld, der Wohnungssuche, der Anmeldung zu Sprachkursen, der Kinderbetreuung und vielem mehr. Das Besondere dabei: Diese Unterstützung wurde von Anfang an von den Dresdner Ukrainern und Ukrainerinnen gestützt. Zu Beginn von jenen, die schon vor 2022 hier lebten und mehrsprachig waren und mittlerweile auch von den Schutzsuchenden selbst.

Ein zentraler Anlaufpunkt wurde das „Ukrainische Haus“ am Neumarkt – ein lebendiger Ort der Begegnung, Information und Vernetzung. Um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden, wurde noch 2022 mit Unterstützung der Stadt Dresden ein Verbindungsbüro mit ukrainischen Mitarbeitern gegründet. Dieses übernahm konkrete integrative Aufgaben wie die individuelle Beratung, die Koordination von Hilfsangeboten, die Weiterleitung von Bedarfen an städtische Stellen, sowie die Vermittlung zwischen der ukrainischen Community und lokalen Institutionen.

Was aus der Not heraus entstand, entwickelte sich rasch zu einem anerkannten und unverzichtbaren Bestandteil der Dresdner Unterstützungslandschaft.

Trotz der Schließung des Verbindungsbüros Ende Dezember 2024 berät und betreut unser Freiwilligennetzwerk rund um das Ukrainische Haus weiterhin ehrenamtlich ukrainische Senioren, Frauen und Kriegsverletzte. Viele finden anderswo keine Hilfe und wenden sich ununterbrochen an uns. Auch die bestehenden städtischen Unterstützungsangebote reichen nicht aus. Von dort werden vielmehr die ukrainischen Schutzsuchenden explizit an unsere Ehrenamtlichen verwiesen, die nach drei Jahren Tätigkeit im Verbindungsbüro nach wie vor als Ansprechpersonen anerkannt und geschätzt werden.

Im Rahmen der langwierigen Vorbereitungen des Doppelhaushalts der Stadt Dresden gelang es uns die SPD-Fraktion zu überzeugen, die Weiterfinanzierung unserer Leistungen mit in die Verhandlungen einzubringen. Als wir die Nachricht bekamen, dass es den Stadträtinnen und Stadträten fraktionsübergreifend gelungen war, unsere Forderung in den verabschiedeten Haushalt mit aufzunehmen, schöpften wir Hoffnung.

Kurz darauf erfuhren wir jedoch, dass die Haushaltsmittel nicht zielgerichtet an die ukrainische Community vergeben werden sollten, sondern über ein an alle großen und kleinen Vereine gestreutes Interessenbekundungsverfahren. Nun mussten wir befürchten, dass die Gelder, die wir erkämpft hatten, nicht in unsere Strukturen fließen würden. An dieser Stelle hätten wir erwartet, dass im Sinne der beschließenden Stadträte das zuständige Sozialamt auf uns zugegangen und uns zumindest beraten hätte. Stattdessen erhielten wir nicht einmal eine Eingangsbestätigung unseres eingereichten Konzepts.

Betrachtet man das Verfahren im Detail, so fällt auf, dass die aufgestellten Kriterien sehr allgemein gehalten sind. Uns auszeichnende Faktoren, nämlich die tiefe Verwurzelung in der ukrainischen Community, unsere Kenntnisse ihrer Bedarfe, die Erfahrungen aus drei Jahren Verbindungsbüro, Sprachkenntnisse sowie unsere Kontakte zur Ukrainischen Botschaft, brachten uns im Verfahren keinen Vorteil.

Ziele wie die Förderung der Eigenverantwortung für den persönlichen Integrationsprozess, Spracherwerb und Arbeitsmarktintegration sind selbsterklärend und werden von uns seit drei Jahren erfolgreich umgesetzt. Darüber hinaus haben die ukrainischen Schutzsuchenden jedoch aufgrund ihres besonderen Aufenthaltsstatus und ihrer Zusammensetzung (mehrheitlich Frauen, Kinder und Senioren) schlichtweg andere Bedarfe als andere migrantische Gruppen. Die von uns betreuten ukrainische Rentner, die keine Deutschkurse bezahlt bekommen, waren als Zielgruppe ebenso sekundär wie ukrainische verletzte Soldaten, die ein ukrainischer Student aus unserem Netzwerk jeden Tag mehrere Stunden ehrenamtlich betreut, indem er unter anderem ihre Formulare für das Sozialamt vorbereitet. Dass diese dort dann schön aufbereitet ankommen und deswegen offenbar das zuständige Amt eine Lücke im Versorgungssystem gar nicht sieht, ist einerseits der Verdienst unseres Ehrenamtlichen, gleichzeitig ist es ein Versäumnis des Interessenbekundungsverfahrens.

Wir sind überzeugt, dass das neue „Ukrainische Zentrum“ diese spezifischen Herausforderungen ohne unseren Zugang zur ukrainischen Community nicht gleichwertig bewältigen kann.

Denn ja, die Konzepte der großen migrantischen Vereine, die sich mit uns beworben haben, mögen dem Verfahren eher entsprochen haben. Mit reichlich Hauptamtlichen und viel Erfahrung schreibt sich ein solches Konzeptpapier leichter als spät abends nach Feierabend im Ehrenamt. Die fehlende Verankerung in der Zielgruppe der ukrainischen Schutzsuchenden gleicht das jedoch nicht aus. Dass wir es können, haben wir drei Jahre lang im Verbindungsbüro gezeigt. Dass diese Leistung nun marginalisiert wird, indem unter dem Namen „Ukrainisches Zentrum“ eine gänzlich neue Doppelstruktur zu unserem ukrainischen Netzwerk hochgezogen wird, war nach allem, was wir wissen, auch nicht im Interesse der Stadträte. Es gefährdet vielmehr das Fortbestehen unseres ehrenamtlich betriebenen Netzwerks rund um das Ukrainische Haus, da uns schlicht eine Grundfinanzierung fehlt. Mit der Existenz eines städtisch geförderten Ukrainischen Zentrums sinken sogar unsere Chancen auf eine entsprechende eigene Förderung.

Mag das Verfahren als solches korrekt gewesen sein, so empfinden wir das Vorgehen des Sozialamts den haushaltstragenden Stadtratsfraktionen und insbesondere der ukrainischen Community gegenüber als unbegreiflich und ungeheuerlich. Dennoch werden sie uns nicht los. Weder wird der Großteil der ukrainischen Schutzsuchenden Dresden verlassen, noch lassen wir diese Farce unkommentiert. Wir lassen uns nicht entmutigen. Wir bleiben für die Menschen da – mit oder ohne Förderung. Aber wir erwarten, dass unsere Arbeit und unsere Stimmen in Zukunft ernst genommen werden.

Der Vorstand von Plattform Dresden e.V., Trägerverein des „Ukrainischen Hauses“ in Dresden

Hintergrund: Ausländerrat Dresden wird das neue Ukrainische Zentrum betreiben

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